Familie | 1936–1959

1936

VH wird am 5. Oktober in Prag geboren. Er entstammt einer wohlhabenden bürgerlichen Familie, die aktiv am öffentlichen Leben der Ersten Tschechoslowakischen Republik teilnimmt. Sein Vater, Václav Maria Havel (1897–1979), ist ein Bauunternehmer, der unter anderem die Barrandov-Terrassen und das Villenviertel Barrandov erbauen ließ. Sein Großvater, Vácslav Havel (1861–1921), ließ den Palast Lucerna in Prag erbauen. Sein Onkel, Miloš Havel (1899–1968), gründet in Barrandov die Filmfabrik AB und ist der wichtigste Produzent tschechischer Filme in 1930-er Jahren. Seine Mutter Božena Havlová (1913–1970) widmet sich der bildenden Kunst. Sie ist die Tochter des Journalisten und Diplomaten Hugo Vavrečka (1880–1952), der unter dem Pseudonym Hugo Vavris seine Werke veröffentlicht.

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1938

Sein Bruder Ivan M. Havel, der künftige Kybernetiker und philosophierende Wissenschaftler, wird geboren.

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1939–1945

Während des zweiten Weltkriegs lebt die Familie außerhalb von Prag, auf ihrem Landsitz in Havlov in Südmähren und in Zlin.

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1948

Nach dem kommunistischen Putsch wird die Familie enteignet, ihre Mitglieder werden verfolgt und einige sogar inhaftiert. Der Onkel Miloš verlässt das Land. Aufgrund ihrer „Klassenzugehörigkeit“ dürfen weder Václav noch Ivan studieren. 1953 beendet Václav seine Ausbildung zum Chemielaboranten, 1954 holt er in einer Abendschule das Abitur nach.

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1952

Die ersten Erfahrungen als Literat und Literaturkritiker sammelt VH unter seinen Generationskollegen, die sich „Generation Sechsunddreißig“ nennen. Zu diesen zählen berühmte künftige tschechische Schriftsteller der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts – u.a. Jiří Kuběna, Josef Topol, Věra Linhartová, Viola Fischerová und Jan Zábrana. Er knüpft allmählich Kontakte mit den Vertretern der „alternativen“, von den Kommunisten nicht unterstützten Kulturszene - Jiří Kolář, Vladimír Holan, Jaroslav Seifert u.a. Er schreibt seine ersten vier handschriftlichen Gedichtsammlungen, literarischen Erörterungen und Literaturkritiken.

Unsere Seele ist wie eine Statue, die wir lebenslang verbessern, verändern, vervollkommnen. Die Entwicklung ist das beste Zeichen des Lebens, denn wirklich lebt nur jener, der sich ständig entwickelt. Vom ersten Erwachen eines Jünglings aus seinem Kindheitstraum bis zur letzten Tätigkeit des altersschwachen Greises – das Leben ist ein ganzes bildhauerisches Schaffen. Es ist ein Zeichen des Niedergangs, wenn wir je glauben, dass wir mit allem fertig sind und ab jetzt nur noch ausgeben können. Am meisten kann jener geben und ausgeben, der die schwierigste Entwicklung durchgemacht hat, der am meisten Schweiß beim Behauen seines Inneren vergossen hat. (…) Wir, die Generation Sechsunddreißig, wollten vor allem einen Ringplatz schaffen, allerdings einen Ringplatz guter Freunde, auf dem nicht ein Manifest oder gemeinsam abgestimmtes Resümee entstehen soll, sondern auf dem mehrere Statuen gehaut werden sollen, damit jeder durch Diskussionen, Kennenlernen und Vergleichen seine eigenen Ansichten verfeinern könnte. Dementsprechend ist jede künftige Tätigkeit von diesem Gesichtspunkt zu betrachten. Man sollte den jungen Bildhauern die Möglichkeit geben, ihre Werke zu Gunsten aller zu hauen. (Nach einem Jahr der bildhauerischen Arbeit - August 1953)
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1956–57

Er veröffentlicht seine ersten Texte über Literatur und Film und tritt beim Aktiv der jungen Autoren in Dobříš (1956) zum ersten Mal öffentlich auf, wo er eine kritisch gestimmte Rede hält. Da ihm aus politischen Gründen ein geisteswissenschaftliches Studium verwehrt wird, studiert er an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften an der Technischen Universität; er bewirbt sich ebenfalls fürs Studium an der Akademie der musischen Künste (AMU), aber auch dort wird er zurückgewiesen.

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1957

Er tritt seinen zweijährigen Grundwehrdienst an.

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1957–59

Gemeinsam mit seinem Armeekameraden Karel Brynda verfasst er – halb im Scherz – ein Theaterstück aus dem Soldatenmilieu „Das Leben steht uns bevor“. Als Mitglied des sozialistischen Jugendverbandes im Kulturbereich tätig zu sein und an verschiedenen Wettbewerben teilzunehmen, ist doch viel angenehmer, als die Zeit mit Militärübungen zu verbringen. Nach Ableistung seines Wehrdienstes bewirbt sich VH erneut für das Studium an der AMU, der zweite Versuch scheitert jedoch auch. Erst 1962 wird er zum Fernstudium zugelassen.

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